Wie kaufe ich ein Boot in der Karibik (Ausland)?

Ein Beispiel, das aus einem Mailkontakt mit Rolf herrührt und m.E. für einige interessant sein könnte (ich hätte mich zumindest über solche Infos vor meiner Kaufodysee gefreut :-) :

100TEuro für eine Ovni 385 aus 2004 hört sich unbesehen erstmal nach "Extrem-Schnäppchen" an, die es gerade in der Karibik auch mal geben kann, wenn zum Beispiel jemand über den Teich gefahren ist und es ihm dabei so schlecht erging, dass er nicht mehr weiter will ...

Ich würde vor einem Kaufbesuch (ggf. mit Urlaub verbinden!) versuchen jemanden vor Ort das Boot genau unter die Lupe zu nehmen lassen, der sich damit auskennt! Es wird leider auch aufgehübschter Schrott versucht zu verkaufen, der auch schon mal Jahre rumsteht und dabei leider nicht besser wird (wie bei Gebrauchtwagen)! Ein bewegtes, genutztes Schiff mit Gebrauchsspuren ist m.E. eine bessere Wahl als eines, das "ewig" rumstand. Bilder zu einem Schiff geben nur ein "Bild" / ersten Eindruck und sind meist keine Detailfotos!
Wenn Du möchtest sprich Chris, ein extrem netter, britischer Karibiksegler, der eine Werft hatte, Rigger und Gutachter ist und individuell zugeschnittene Chartertörns (z.B. zum Boot-Aussuchen ...) auf der "Darling Blue" fährt, an und bestelle ihm einen schönen Gruß von uns: www.cksailing.com. (Nein, wir bekommen leider keine Provision (ggf. noch nicht ???) :-)


Bootsgröße / Typentscheidung
Unsere Ovni 395 ist generell ein sehr gutes Boot, wir mußten uns allerdings erstmal an sie gewöhnen (da wir vorher keine Probecharterwoche mit Einweisung auf dem Bootstyp hatten).
Eine Nummer größer kam aus folgenden Gründen für uns nicht in Frage:
a) Preis, da wir ein junges Boot (und keine Baustelle) haben wollten
b) der laufende finanzielle Aufwand für ein größeres Boot
c) die zu händelnde Kräfte für eine Zweipersonencrew => tendenziell 2 Einhandsegler auf Passagen (wobei dies teilweise mit Geld gut zu heilen ist, z.B. Elektrowischen, die dann ggf. eine Mehranschaffung an Strom mit sich bringen, wofür dann auch der Platz da sein muss, genauso für die Ersatzteile (Plan B?), wobei natürlich alles noch komplexer und komplizierter wird ...)


Beim Cruisen gibt es eine Zweiteilung, die mir in Kursen nicht vermittelt wurde:
1) Segeln
2) Wohnen / Cruisen
Segeln konnte ich in Kursen und beim Chartern lernen; das Wohnen und Leben an Bord haben wir allerdings erst auf unserem Boot "erfahren"!


Ob Du auf dem Schiffstyp leben möchtest, solltest Du vor einem Kaufbesuch schon entschieden haben, z.B. Ovnis können an der französischen Atlantikküste auch gechartert werden.

Wenn Deine Frau mitfahren möchte, wird sie wahrscheinlich ein paar Anforderungen stellen, die m.E. sehr sinnvoll zu beachten sind (z.B. Geschirrspüler, Waschmaschine etc.) ...

Bei www.windpilot.de findest Du von Peter Förthmann eine gute Auflistung von Blauwasseryacht-Kriterien und mehr ...

=> Ich bin davon überzeugt, das es kein "perfektes" Blauwasserboot gibt, allerdings gibt es welche, die die eigenen Bedürfnisse in hohen Maßen abdecken, wobei die Bewertung immer individuell sein wird.
Alles ist ein Kompromis.

=> Die Bootstypentscheidung wird meiner Erfahrung nach sowieso der Bauch treffen (unterstützt von Argumenten des Kopfes!)


"Macht es Sinn und funktioniert es ein "Projekt-Boot" z. B. in Tobago zu kaufen und es komplett zu überholen vor Ort oder es wieder nach Europa zu transportieren/zu segeln, um es hier fit zu machen"
=> wenn es nicht fit ist, würde ich damit nicht über den Atlantik segeln!
=> Vor Ort oder in einem Billiglohnland (Venezuela würde ich trotzdem ausklammern) zu renovieren, kann sehr viel Sinn machen, kommt auf dein Know-How, deine verfügbare Zeit, deine Streßbelastbarkeit und das Klima im Land an oder als Ersatz auf die Leute, die für Dich arbeiten. Dies kann sinnvoll sein in den Preis hineinzukalkulieren.
Der Logistikaufwand für ein Refit ist m.E. immer sehr hoch!!! Alleine die Informationsbeschaffung bei der Werft oder bei den Zubehörherstellern ist eine Herausforderung!
Segler helfen gerne mit Tipps zur Teilebeschaffung, es dauert allerdings, bis diese geliefert sind, wenn nicht vor Ort vorrätig (leider oft so, wie z.B. unsere Propelleranode, die ich vor einem Jahr falsch als "Standardersatzteil" eingestuft hatte).


"Ein Aluboot aus 2004 sollte in der Grundsubstanz solide und unverändert sehr gut sein?"
=> kommt auf die Lagerung an, z.B. Elektrolyse, Termiten in den Holzausbauten, Kabelfraß durch Mäuse, Schimmel, Lager im Motor festgefressen, etc.


"So ein Schiff dieser Qualität kann doch nach knapp 10 Jahren nicht kaputt geritten worden sein, oder?
=> unwahrscheinlich, aber sehr wohl möglich, wenn z.B. nicht gewartet wurde!


"Der Yachtbroker ist desinteressiert am Verkauf"
=> Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass die Broker nicht hilfreich sind, versuche Kontkt direkt zum Verkäufer zu bekommen.


Zum Alter des Käufers:
Die weitaus meisten Cruiser in der Karibik sind im Ruhestand und es klappt (überwiegend). Wir haben auch "uralt"-Segler kennengelernt, die gut zurechtkommen, wobei diese Ihre Prozesse schon etwas länger einüben konnten und ich im Vergleich zu diesen Segelgurus total grün hinterm Ohr bin.
Viele "Einschränkungen" (z.B. Kraftaufwand beim Reffen der Genua) können mit Nachdenken und/oder Geld egalisiert werden (z.B. Elektrowinschen, Taljenübersetzungen etc.).


Zu "wer segelt mit" (oder was mache ich mit meinem Partner) haben wir bisher folgende Varianten kennengelernt:
- Er bzw. sie segelt einhand / Sie bzw. er bleibt im Heimatland oder ist (noch) nicht vorhanden
- Er bzw. sie segelt einhand / Sie bzw. er kommt manchmal zu Besuch
- Er segelt / Sie wird mitgefahren, allerdings nur auf Tagestörns bei gutem Wetter!
- Der angestellte Skipper segelt / die Eigner sind Crew (eher im Superyachtsegment zu finden)
- Er segelt / Sie segelt (gleichberechtigt)
- Er segelt / Sie segelt (einer ist der Skipper) (=> unser System)

=> langsam an das Segeln heranführen, hatte sich bei meiner Frau bewährt!


Zum Thema Gästekabinen: Fast alle, die wir kennengelernt haben, hatten relativ selten Gäste und wenn meist aus der Kernfamilie...
=> auf jeden Fall ist eine Gästekabine ein toller Stauraum!


Kauf – Vertragsdokumente usw.
Ja, hier wird es haarig:
Welches Recht liegt dem Vertrag zugrunde, wo ist der Gerichtsstand, welche Sprache hat der Vertrag, Schriftform oder Handschlag, Anwalt, Notar, Ruhen noch Lasten auf dem Boot (Bank/Bootsverzeichnisse), Haftungsein-/ausschlüsse, Garantien, welche länderspezifischen Regelungen gibt es, wie erfolgt die Zug-um-Zug-Übergabe: Geld, Schiff, Schiffspapiere, Ab-/Ummeldung, Versicherungsübergang ...
=> Spannend!

Wir hatten bei Kauf in Spanien deutschsprechende Anwälte und das Internet befragt.
Dann Verträge ohne Anwalt in englisch und spanisch (wegen der Abmeldung aus dem spanischen Register) unterzeichnet. Ohne ein bißchen Vertrauen zwischen den Vertragsparteien wird es schwierig!
Den englischen Vertrag als Vorlage für den spanischen habe ich mir aus unterschiedlichen Vertragsmustern selbst zusammengebastelt, da der vom Broker m.E. Schrott war (und ich es mir zutraute, trotz meines nichtjuristischen Hintergrundes, einen besseren Vertrag zu entwerfen)!
Es war sehr spannend!



Fazit:
=> Alles ist möglich !
=> Viel Glück und viel Spaß!


Taitonga.net, © Dagmar und Christian Sahr,